Live in Peace statt Rest in Peace?

Erinnerungen - Ausfahrt mit der Corvette

Heute fiel mir eine Postkarte in die Hand, die ich bei Kahrhof Bestattungen in Darmstadt mitgenommen hatte. Darauf steht: Befor I die … Auf der Rückseite eine Liste, die ich ausfüllen soll. Was sind meine noch nicht erlebten Erinnerungen auf dem Totenbett? In den Räumen von Kahrhof Bestattungen fand ein Workshop über die fünf Sterbephasen statt. Ein Thema, das mich einfach persönlich interessiert. Und das nachdenklich macht. Was will ich noch erleben, bevor ich sterbe.

Wenn wir uns im Sterbeprozess befinden, läuft unser Leben gedanklich an uns vorbei. Was war gut, was war schlecht? An was werden wir uns erinnern? Was nehmen wir mit auf unsere letzte große Reise? Als Kinder haben wir das Spiel „Ich packe meinen Koffer …” gespielt. Kennst Du das? Stell Dir mal vor, Du nimmst auf Deine letzte Reise einen Koffer mit Erinnerungen mit. Sonst nichts, nur die Erinnerungen an Ereignisse, die Dir ein breites Grinsen ins Gesicht gezaubert haben. Wie voll ist Dein Koffer?

In meinem Bekanntenkreis starben innerhalb von kurzer Zeit zwei Männer. Zurück bleiben trauernde Ehefrauen, Kinder, Freunde, auch Eltern. Bei ihrem Abschied wurden Bilder an eine Leinwand projiziert. Bilder von glücklichen Zeiten, gemeinsamen Erlebnissen, mit Lachen und mit Liebe. Auf den Bildern läuft das Leben vorbei, es zeigt, wie Menschen gealtert sind und trotzdem das Leuchten in ihren Augen behalten haben. Bilder, die zeigen, das sind die Momente, die uns als Mensch getragen haben. Die Lieblingsmusik läuft.

Es sind keine Fotos von Überstunden oder von großen Autos. Auch nicht die Rolex am Handgelenk oder der Brillantring, der nur für wenige Anlässe aus dem Tresor geholt und der eigentlich nur für die anderen getragen wurde: Schaut her, ich hab’s geschafft. Keine Bilder von Vertragsunterzeichnungen, vom Händeschütteln mit wichtigen Personen oder von Abschlusszertifikaten.

Diese Stunde der Erinnerungen auf den Trauerfeiern zeigt ganz deutlich, was Menschen emotional satt macht. Gemeinsamkeit und Erlebnisse mit der Familie und mit Freunden.

Erinnerungen – Welche Bilder kommen bei meiner Trauerfeier?

Lebst Du Dein Leben nach Deinen Vorstellungen oder verschiebst Du Deine Glücksmomente für den Erinnerungskoffe auf später? Vielleicht kommt dieses Später schneller, als Du denkst:

„In zehn Jahren verkaufe ich die Firma und wir reisen gemeinsam”, so war der Plan. Leider hat mein Mann diese letzten fünf Jahre nicht mehr erlebt. Und so bleibt das schale Gefühl zurück, dass mir eine wichtige gemeinsame Erinnerung mit ihm immer verwehrt sein wird.

Wenn ich erst in Ruhestand bin,

  • dann fange ich mit dem Yoga, dem Sport an,
  • dann mache ich den Sprachkurs,
  • dann male ich,
  • dann treffe ich mich mit anderen Frauen,
  • dann mache ich eine Ballonfahrt, die Alpenüberquerung, wandere den Jakobsweg ….

Doch das Leben plant anders. Eine Krebserkrankung, ein Unfall oder ein anderes persönliches Schicksal kann uns davon abhalten, all das umzusetzen, wofür wir uns jetzt keine Zeit nehmen.

Kein Job und kein Geld der Welt sind so wichtig, als dass wir uns von unseren Träumen und dem wahren Leben abhalten lassen dürfen.

Busy, busy und keine Zeit, um schöne Erinnerungen zu holen?

Dann schaffe sie Dir. Überlege Dir genau, wie Du Deine Prioritäten setzt und dann handele. Jetzt.

  • Musst Du wirklich immer noch zu diesem Businesstreffen gehen, das Dich in Wirklichkeit langweilt? Hauptsache, Du wirst gesehen?
  • Verbringst Du nicht mehr Zeit auf Social Media, als Dir guttut?
  • Ist es wichtig, das 100ste Katzenvideo oder die Tagesschau anzuschauen, anstatt mit Deinem Partner einen Abendspaziergang zu machen und über Dinge zu sprechen, die euch beschäftigen?
  • Braucht es tatsächlich jedes Jahr diese Flugreise, oder traust Du Dich einfach mal, eine andere Art zu reisen auszuprobieren?
  • Wie viel Gewohnheit macht Deinen Alltag aus und Du tust Dinge, weil Du sie schon immer so getan hast?

Leben wir das Leben so, wie es uns gefällt oder hoffen wir darauf, dass es in der Rente besser wird? Oder glauben wir gar, dass es uns erst nach unserem Tod besser geht? Bei manchen Menschen könnte man durchaus den Eindruck gewinnen, dass sie in ihrem jetzigen Leben nicht wirklich Frieden finden können oder wollen. Die Werte, nach denen das eigene Leben aufgebaut wird, sind äußere Werte. Geld, Anerkennung, Status. Alles Dinge, die uns nichts mehr nützen, wenn uns bewusst ist, dass unsere Zeit abgelaufen ist.

Jetzt lohnt es sich auch nicht mehr, noch was zu ändern

Entschuldige, aber das ist eine Ausrede. Es würde sich noch einen Tag vor Deinem Tod lohnen, denn die Belohnung ist pures Glücksgefühl.

Letztes Jahr habe ich bewusst auf meinen Urlaub verzichtet. Siggi und ich haben eingesehen, dass die geplante Nordkap-Reise zwar toll wäre, aber ohne genügend Zeit in Stress ausartet. Und dass wir unseren Fokus erst einmal auf den Umzug in unser neues Haus legen möchten. Was ging mir sofort durch den Kopf?

  • Was denken jetzt alle, warum wir das nicht machen?
  • Schade, ich hätte so viele tolle Fotos posten können.
  • Alle machen so tolle Urlaube und nur ich nicht.

Merkst Du was? Alle Gedanken waren ins Außen gerichtet. Obwohl wir sicher waren, dass uns dieser Urlaub finanziell und kräftemäßig an unsere Grenzen gebracht hätte. Stattdessen waren wir

  • Kanufahren auf der Donau in Sigmaringen
  • American Cars bestaunen auf den Rockabilly-Days
  • Baden im Bodensee am 18. Geburtstag meiner Tochter
  • ein Ausflug mit der Corvette ins Münsterland mit kurzem Abstecher ins Ruhrgebiet auf der Rückfahrt
  • Singen und Tanzen auf einem BossHoss-Konzert in Rottweil
  • Zelten beim Glemseck 101 unter zig anderen Motorradfans

Alles fand in direkter Nähe statt und hat einen unglaublichen Erinnerungswert. Für mich zahlreiche Premieren, über die wir heute noch gerne sprechen. Und die Erkenntnis, dass es häufig nicht das eine (nicht erreichbare) große Ziel ist, sondern dass es viele kleine Momente sein können, die unseren Koffer füllt.

Auch wenn Du alleine bist, kannst Du Dir solche Momente schaffen. Alles, was Du dafür brauchst, ist etwas Mut, den ersten Schritt zu gehen. Vereine bieten eine tolle Möglichkeit, Kontakt mit anderen Menschen aufzunehmen. Volkshochschulen bieten für überschaubares Geld zig Möglichkeiten, seinen Horizont zu erweitern und sich auszuprobieren. Aber rede Dir niemals ein, Du wärest zu alt dafür.

Before I die … mein Fazit mit dem Sammeln von Erinnerungen

Mein Leben war nicht langweilig, auch wenn mir manche Dinge noch fehlen. Der Koffer füllt sich weiter. Auch wenn mich das Nordkap und Island noch rufen habe ich die Erkenntnis, dass ich manche Dinge vielleicht gar nicht mehr brauche, auch wenn die Fotos von anderen so toll aussehen.

Macht mich mein Leben emotional satt? Ja. Möchte ich noch weitere Erinnerungen sammeln. Unbedingt ja. Würde ich auf dem Sterbebett bereuen, Dinge nicht getan zu haben? Nein. Es ist gut, wie es ist. Und das fühlt sich richtig gut an.

Bildquellen

  • Erinnerungen-Ausfahrt mit der Corvette: © https://susannemariafischer.de

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