Neuanfang – der Weg aus der Trauer

Neuanfang - der Weg aus der Trauer

Der Verlust eines Menschen hat Wirkung auf Dein ganzes Leben. Je intensiver die Beziehung zu diesem Menschen war, umso tiefgreifender sind die Folgen der Prozess. In diesem Beitrag spreche ich über die einzelnen Bereiche, in denen ein Neuanfang stattfinden kann und wie sich diese Veränderungen gestalten.

Eine Beziehung durchläuft unterschiedliche Phasen: Kennenlernphase, Verliebtheitsphase, Krisenphase, Entscheidungsphase und die Bindungsphase. Irgendwann sollte eine Beziehung in der Bindungsphase angekommen sein: man vertraut seinem Partner, spricht offen über seine Gefühle und ist gegenseitig für sich da. Jeder hat seine Rolle eingenommen. Die Wohnung oder das Haus wurden gemeinsam eingerichtet, man kennt die Gewohnheiten des Partners und weiß damit umzugehen. Und auch wenn man glaubt, seinen Partner gut zu kennen, können Überraschungen auftreten – auch nach seinem Tod.

Durch den Tod des Partners tritt eine komplett neue Situation ein. Plötzlich bricht ein wichtiger Teil des gemeinsamen Lebens weg und macht es notwendig, eine neue Rolle und Identität zu finden.

Veränderung in meiner Rolle als Partnerin

Natürlich waren meine Bestürzung und Trauer am Anfang unendlich groß. Mir war sofort bewusst, welche Veränderungen hier auf mich zurollten. Mir war klar, je schneller ich akzeptierte, dass ich mein Leben neu ausrichten MUSSTE, umso selbstbestimmter konnte ich den Prozess steuern. Ich wollte mich nicht sofort damit auseinandersetzen, doch meine neue Rolle in der Firma lies keine wirkliche Schonzeit zu.

Ich begann relativ schnell damit, meine privaten und geschäftlichen Beziehungen zu reflektieren und mir Gedanken über die Rollen zu machen, die ich hier jeweils zukünftig spielen würde. Dies war ein sehr schmerzvoller Prozess.

Das Tagebuch als Sprachrohr der Seele

Schon während der Erkrankungszeit meines Mannes notierte ich meine Gedanken. Im Nachhinein bin ich überaus dankbar dafür, dass ich mir dadurch eine Möglichkeit geschaffen habe, nachlesen zu können, welche Gedanken da auf einmal hervorkamen und – was für mich viel wichtiger war – zu reflektieren, wo ist ein Muster erkennbar? Was tauchte immer wieder auf? Wo wollte meine Seele hin?

Ein Begriff, der mir relativ häufig begegnete war der Neuanfang. Auch meine Ehe wurde reflektiert. Ich stellte fest, wie sehr ich mich in dieser Zeit verändert und zum Teil auch verloren hatte. Es fiel mir unendlich schwer, eine neue Rolle für mich zu finden. Wer war ich und wie stellte ich mir das Leben zukünftig vor? Wie vielen Frauen meiner Generation war es mir nicht gelungen, neben meiner Rolle meine eigene Identität zu behalten.

Ich wünsche mir einen Neuanfang. Doch tatsächlich waren es vier Neuanfänge, die vor mir standen.

Der berufliche Neuanfang. Die Aufgabe als Nachfolgerin im Verlag überforderte mich. Auch wenn wir uns die Rolle teilten, waren meine Ansprüche an mich so hoch, dass sie unmöglich zu erfüllen waren. Dies mit meiner Rolle als alleinerziehender Mutter zu synchronisieren kaum möglich.

Ein Neuanfang in meiner Rolle als Frau. Raus aus der Partnerschaft, rein in das Singleleben. Wo war meine Weiblichkeit geblieben? Mit Härte und Disziplin versuchte ich, Frau und Mann gleichzeitig zu sein. Eine Rolle, die mir überhaupt nicht gefiel, und die ich erst ablegen konnte, als ich körperlich zusammenbrach.

Ein Neuanfang in meiner Rolle als Mutter: Ich war plötzlich alleinerziehend. Ohne die Möglichkeit, den Vater wenigstens bei wichtigen Fragen miteinzubeziehen und nicht komplett allein verantwortlich zu sein. Das alles in einer Lebensphase, in der meine Tochter beide Eltern gebraucht hätte.

Ein räumlicher Neuanfang. In dem Haus, indem ich mit meinem Mann 30 Jahre gelebt und gearbeitet hatte, wollte ich nicht mehr bleiben. Es war mir zu groß und zu arbeitsintensiv. Was sollte ich mit über 200 qm sanierungsbedürftiger Wohnfläche?

Welcher Neuanfang kommt zuerst?

Alle Bereiche gleichzeitig anzupacken, war unmöglich. Also hangelte ich mich Stück für Stück vorwärts. Mal in einem Bereich, mal im anderen. Das Tempo erschien mir schmerzhaft langsam. Rückwirkend betrachtet war es für die Komplexität der Neuanfänge unheimlich schnell. Denn all die Wandel müssen ja auch seelisch verarbeitet und verinnerlicht werden.

Wo in Deinem Leben wünscht Du Dir am schnellsten einen Neuanfang?

Ist es Deine Rolle als Frau? Kannst Du Deine Rolle in Deiner Partnerschaft schon loslassen, oder fühlst Du Dich immer noch als Ehefrau eines Mannes, der seinen Raum nicht mehr einnehmen kann?

Ist es Deine Rolle als Mutter? Versuchst Du, die Rolle als Mutter und Vater gleichzeitig einzunehmen? Oder kannst Du akzeptieren, dass du das nicht kannst?

Ist es ein beruflicher Neuanfang? Gerade bei Paaren, die zusammengearbeitet haben, ist es besonders schwierig, einer Begegnung mit Aufzeichnungen oder alten Projekten auszuweichen. Die Arbeit des verstorbenen Partners kann Dir im Arbeitsalltag immer wieder begegnen. Hier emotional Distanz zu wahren ist nicht einfach. Dateien, Aufschriebe, Notizzettel, Videos. Ich begegne meinem Mann heute noch täglich im Rahmen meiner Arbeit. Das sind die Momente, in denen ich jedes Mal wieder emotional zurückfalle.

Ist es ein räumlicher Neuanfang? Die Wohnung oder das Haus zu wechseln, scheint der einfachste Schritt zu sein. Gemeinsame Räume bieten am Anfang eine enorme Schutzwirkung, denn es findet zunächst keine Veränderung statt, wenn wir sie nicht aktiv vornehmen. Die Wohnung, die Räume, die Schränke – all dass kann den Eindruck erwecken, als ob der Partner nur kurz weg gegangen wäre und gleich wieder da ist. Eine perfekte Täuschung, wenn man sich täuschen möchte.

Der räumliche Neuanfang

Die Veränderung der Räume war für mich der erste und der wirksamste Neuanfang. Er war sanft zu gestalten und ich konnte den Prozess jederzeit unterbrechen. Jetzt nach über vier Jahren habe ich mein altes Zuhause losgelassen und mit ihm abgeschlossen. Mich der Illusion hinzugeben, dass ich mein Zuhause nur so lassen muss, wie es war, hätte mich bei allen anderen Neuanfängen erheblich ausgebremst. Zu akzeptieren, dass der Partner nicht mehr zurückkommen kann, auch wenn wir uns das so sehr wünschen, ist aus meiner Sicht der wichtigste Schritt zur Veränderung.

Persönliche Dinge geben am Anfang einen unglaublichen Trost. Doch nach einer angemessenen Zeit sollte auch hier der Schritt des Loslassens praktiziert werden. Wann dieser Zeitpunkt genau ist, lässt sich schwer sagen. Manchen Menschen reicht ein halbes Jahr, andere Menschen benötigen zwei oder gar fünf Jahre. Angst vor Veränderung sollte dabei nicht der Hinderungsgrund sein.

Ohne Akzeptanz kann ich keinen Neuanfang einleiten.

Den räumlichen Neuanfang kannst Du mir wenigen Schritten einleiten. Es ist verlockend, die Schuhe, die Jacke oder die Zeitung an dem Platz liegen zu lassen, an dem sie der Partner zuletzt platziert hat. Doch irgendwann kommt der Moment, an dem man einsehen muss, dass der Partner nicht wieder kommt. Und dass wir gut daran tun, Dinge aufzuräumen und die Präsenz des Partners in den Räumen zurückzunehmen. Ein Umzug kann hierbei eine große Hilfe sein. Wenn Dinge erst einmal verpackt sind und darauf warten, einen neuen Platz zu bekommen, dann stellt man sehr bald fest, dass man sie nicht mehr vermisst und dass sie gehen können. Beim Einrichten neuer Räume – beispielsweise nach einer Renovierung – fällt es leichter, auf Dinge zu verzichten, um nicht gleich wieder alles vollzustellen.

Der räumliche Neuanfang ist derjenige, der mit relativ wenig Aufwand möglichst viel Energie liefert.

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